Konferenz „Stadt, Land, Wohnen“ der Grünen am 12. Oktober 2024 in Berlin
Fotos und Text Christian Schmidt
Am 12. Oktober 2024 fand im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus die Konferenz „Stadt, Land, Wohnen“ der Partei Bündnis 90/Die Grünen statt, die zentrale Fragen der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik behandelte. Für die Vereinigung freischaffender ArchitektInnen (VfA) nahm Christian Schmidt, Vizepräsident Finanzen, an der Veranstaltung teil, um die Interessen der Architektenschaft zu vertreten. Christina-Johanne Schröder, MdB, begrüßte die Teilnehmer und setzte den thematischen Rahmen für die nachfolgenden Diskussionen und Workshops .
Podiumsdiskussion: „Bauen und Wohnen in Deutschland – klimaschonend, bezahlbar und innovativ“Der Tag begann mit einer Podiumsdiskussion, in der namhafte Expertinnen und Experten zu den Herausforderungen und Chancen des Bauens und Wohnens in Deutschland Stellung nahmen. Neben Christina-Johanne Schröder, die das Gespräch moderierte, waren Gunther Adler, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA e.V.), Judith Nurmann von Architects for Future und Dr. Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund (DMB) vertreten. Diskutiert wurden unter anderem die Möglichkeiten, klimafreundliches Bauen stärker zu fördern, den Wohnungsbau bezahlbar zu halten und gleichzeitig Innovationen im Bauwesen voranzutreiben.
Erste Workshop-Phase: Vertiefende Diskussionen zur Wohnungsmarktpolitik
Nach der Podiumsdiskussion startete die erste Workshop-Phase, in der verschiedene aktuelle Themen vertieft wurden:
1. Zurück in die öffentliche Hand? – Wie wir Wohnungen richtig rekommunalisieren können
Dieser Workshop behandelte die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine Rekommunalisierung von Wohnraum sinnvoll und machbar ist. Experten diskutierten, wie durch den Rückkauf von privatisierten Wohnungen langfristig soziale Gerechtigkeit und bezahlbarer Wohnraum gesichert werden können.
2. Leerstand energetisch sanieren – Chancen und Herausforderungen
Hier wurde über die energetische Sanierung von leerstehenden Gebäuden gesprochen. Im Fokus standen die Hürden und Potenziale bei der Umnutzung von Leerstand, um klimafreundliche und wirtschaftlich tragbare Lösungen zu entwickeln, gerade in Bezug auf strukturschwache Regionen und den teilweise nicht mehr auskömmlichen Mietzins. Die Teilnehmer setzten sich mit aktuellen Förderprogrammen und Sanierungsmodellen auseinander.
3. Wie viel Staat braucht der Wohnungsmarkt? – Über grüne Instrumente der Wohnungsmarktpolitik
Diskutiert wurde, welche staatlichen Maßnahmen auf dem Wohnungsmarkt notwendig sind, um eine soziale und ökologische Wohnraumpolitik umzusetzen. Grüne Instrumente wie Mietpreisbremsen, soziale Wohnungsbauprojekte und Anreize für nachhaltiges Bauen standen dabei im Mittelpunkt.
4. Räume für Kultur und Begegnungen
Dieser Workshop untersuchte die Bedeutung öffentlicher Räume für das soziale Miteinander und die Kultur in urbanen und ländlichen Gebieten. Es wurde erörtert, wie solche Räume geschaffen und langfristig erhalten werden können, um gesellschaftlichen Zusammenhalt und kulturelle Vielfalt zu fördern.
5. Public Mental Health – Auch die Seele braucht ein gesundes Umfeld
Wie beeinflussen Wohn- und Stadtgestaltung die psychische Gesundheit? In diesem Workshop ging es um die Wechselwirkungen zwischen der gebauten Umwelt und dem Wohlbefinden der Menschen. Es wurden Konzepte für eine menschengerechte Stadtplanung erörtert, die physische und psychische Gesundheit gleichermaßen berücksichtigt.
Zweite Workshop-Phase: Zukunftsorientierte Konzepte für Wohnen und Quartiere
Nach der Mittagspause folgte die zweite Workshop-Phase mit einer Vielzahl von praxisorientierten Themen:
1. Wohnen in allen Lebenslagen – Wie wir Wohnraum im Bestand besser nutzen können
Der Fokus lag auf der effizienten Nutzung von bestehendem Wohnraum, insbesondere durch flexible Grundrissgestaltungen und innovative Wohnformen, die unterschiedlichen Lebenslagen gerecht werden. Der Workshop untersuchte auch Maßnahmen zur Umnutzung von Bestandsimmobilien.
2. Einfach umbauen: Bauen im Bestand erleichtern
Hier wurden Wege diskutiert, wie das Bauen im Bestand vereinfacht werden kann. Teilnehmer tauschten sich über regulatorische Hürden, technische Herausforderungen und die Notwendigkeit aus, den Bestandbau durch angepasste Bauvorschriften und Förderprogramme attraktiver zu machen.
3. L(i)ebenswerte Quartiere – Grün, gesund, gut
Grüne Quartiere als Modell für lebenswerte Stadtentwicklung: Der Workshop beleuchtete Strategien für die Schaffung von Wohnumgebungen, die ökologische und soziale Aspekte verbinden. Themen wie Begrünung, nachhaltige Mobilität und gesunde Lebensräume standen im Mittelpunkt.
4. Mehr Fahrrad wagen – Potenzial des Fahrrads für lebenswerte Quartiere
Die Teilnehmer beschäftigten sich mit dem Potenzial des Fahrrads als zentrales Element einer zukunftsfähigen Stadtplanung. Es ging darum, wie fahrradfreundliche Infrastrukturen die Lebensqualität in Quartieren steigern und gleichzeitig die Verkehrswende vorantreiben können. Beispiel aus Bremen, Fahrradzonen und Umbau von Kreuzungsbereichen sowie aus Berlin Berlin rundeten diesen Workshop ab.
5. Neues Gewerbemietrecht schaffen – Kleingewerbe und soziokulturelle Einrichtungen schützen
Dieser Workshop widmete sich der Frage, wie ein neues Gewerbemietrecht dazu beitragen kann, Kleingewerbe und soziokulturelle Einrichtungen vor Verdrängung zu schützen. Es wurden Vorschläge für rechtliche und politische Maßnahmen zur Förderung eines vielfältigen Stadtlebens diskutiert.
Abschlusspanel: „Die Immobilie als Renditeobjekt?“
Den Abschluss der Konferenz bildete ein Panel, das sich der Frage widmete, wie steuerliche Fehlanreize im Immobiliensektor beseitigt werden können, um gerechtere finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen. An der Diskussion nahmen unter anderem Ingeborg Esser vom GdW Bundesverband, Christoph Tauwetter (Referent Steuergerechtigkeit), Prof. Dr. Sebastian Eichenfelder (Experte für betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Otto-von-Guericke Uni Magdeburg ) und Katharina Beck, MdB und Mitglied des Finanzausschusses, teil.
Für Aufsehen sorgte ein Beispiel aus dem Steuerrecht: Bei der Vererbung von 300 oder mehr Wohnungen entfallen jegliche Steuern, bei weniger als 300 Wohnungen, also 299 und weniger, hingegen werden Steuern erhoben. Diese Ungereimtheit führte zu Kopfschütteln und heftigen Diskussionen, doch eine Erklärung, wie diese Bevorteilung zustande kam konnte seitens des Podium nicht gegeben werden. Obwohl sich alle Teilnehmer darüber einig waren, dass diese Regelung dringend reformiert werden müsse, erläuterte Katharina Beck, dass die FDP eine Bereitschaft dazu erkennen lässt, da dies eine Steuererhöhung bedeuten würde.
Ein positives Signal kam vom GdW, der von erfolgreichen Anwendungen kombinierbarer Abschreibungen für Neubauten im Wohnungsmarkt berichtete. Prof. Eichenfelder sprach sich dafür aus, dass auch bei der energetischen Sanierung des Bestands großzügige Abschreibungsmodelle nötig seien. Hier gehe Klotzen vor Kleckern. Ein Abschreibung wie in den 1990er Jahren, mit 50% Abschreibungen auf klimatische Sanierungen, seinen hier denkbar. Ein Vorschlag, den die VfA voll unterstützte, da die klimarelevanten Herausforderungen immens sind.
Fazit
Die Konferenz hinterließ den Eindruck, dass in den Bereichen Bauen und Wohnen weiterhin großer Handlungsbedarf besteht – sowohl in Bezug auf nachhaltiges Bauen als auch auf gerechtere finanzielle Rahmenbedingungen. Die VfA setzt sich dafür ein, dass die Architektenschaft auch künftig eine zentrale Rolle in diesen Debatten und bei der Umsetzung der Themen einnimmt.